Tarééc: Nie wirklich weg und jetzt wieder da
Er war zwar nie wirklich weg, doch richtig angekommen ist Tarééc erst jetzt, mit seinem ersten Soloalbum „Hoffnung“. Philosophisch, und in letzter Konsequenz auch sehr emotional.
Er hat seinen Frieden gemacht. Mit dem Land, dass ihn irgendwie, irgendwo, irgendwann vielleicht sogar toleriert, aber bestimmt nicht immer umarmt hat.
Mit den hier lebenden Menschen und vor allem mit sich selbst. Über ihn muss man wissen, dass er vor zehn Jahren mit der Boyband „The Boyz“, der auch Adel Tawil („Ich + Ich“) angehörte, ein gefeierter Popstar war.
Dann kam der Fall. Es folgte Wut. Bisweilen sogar blanker Hass, Depressionen und Suizid-Gedanken. Doch jetzt ist er wieder da – mit einem neuen Album und der Gewissheit: Es ist Zeit etwas zu verändern...
Franziska Manske von berlin-magazin.info traf den sympathischen Musiker aus Kreuzberg und sprach mit ihm über das Leben, seine Leidenschaft zur Musik und warum die Hoffnung teilweise das einzige war, was ihn am Leben gehalten hat.
BM: Tarééc, man hat lange nichts von dir gehört. Wo warst du?
Ja, das stimmt – leider. Nach dem Aus von „The Boyz“ bin ich einen langen und steinigen Weg gegangen, um heute dort weiterzumachen, wo ich vor zehn Jahren aufgehört habe.
BM: Verrückt, oder?
Das ist sogar sehr verrückt. Mein Erfolg kam damals einfach zu schnell und ich war viel zu jung, gerade mal 17.
Ich war noch ein kleiner Junge, der sich von dem schnellen Ruhm blenden ließ. Ich komme aus einer arabischen Großfamilie, die aus Palästina und dem Libanon ausgewandert ist.
Wir wohnten in einer winzigen Zwei-Zimmer-Wohnung in Neukölln und hatten immer wenig Geld. Erst habe ich Adel kennen gelernt, dann kamen die anderen Jungs noch dazu und, zack, hatten wir einen Plattenvertrag, waren in den Charts und jeder kannte uns. Der Erfolg kam quasi über Nacht.
Fast vier Jahre lang habe ich ein Leben als Popstar geführt. Kreischende Mädels, Tourneen und keine Geldsorgen mehr. Das war eine krasse Zeit. Doch so schnell wie der Erfolg kam, so schnell ging er auch. Denn aufgrund von Knebelverträgen und miesen Intrigen unseres Labels ging alles in die Brüche. Ich habe das nicht verkraftet und bin daran beinahe zerbrochen.
BM: Kannst du das genauer erklären?
Um „The Boyz“ gab es damals einen riesigen Hype. Wir wurden als die erfolgreichste deutsche Boyband tituliert. Ich konnte mir nicht mal einen Döner holen gehen, ohne das Mädels hinter mir herliefen. Jede Woche hatten wir dutzende Interviews und Fotoshootings und plötzlich war das alles weg. Damit kam ich nicht klar. Ich war gerne ein Popstar und habe den Kontakt zu den Fans genauso geliebt wie die Bühne.
BM:Kam das Aus von „The Boyz“ wirklich so überraschend?
Für mich schon. Wie gesagt, ich war ein kleiner, naiver Junge aus Neukölln, der plötzlich im Rampenlicht stand. Ich durfte das machen, was ich kann und liebe – Musik. Ich dachte damals, das bleibt für immer so.
BM:Wie ging es dann weiter?
Auf einmal stand ich allein da. Freunde hatte ich kaum noch und meine Freundin trennte sich auch von mir. Sie wolle keinen Loser, sagte sie damals. Das riss mir dann komplett den Boden unter den Füßen weg. Auch die Medien interessierten sich nicht mehr für mich. Ich war 20 Jahre alt und verlor den Glauben an mich selbst und den Rest der Welt.
BM:Und womit hast du nach „The Boyz“ dein Leben finanziert?
Zum Glück machte mir dann ein Verlag das Angebot, Songs für andere Künstler zu schreiben. Das tat ich, doch es zerriss mir fast das Herz, wenn ich meine Songs im Radio hörte. Denn ich wollte nicht der Mann dahinter sein, sondern selbst singen. Trotzdem hielt mich dieser Job knapp drei Jahre über Wasser.
BM:Und wie ging es dann weiter?
Das komische war, dass ich mich auch lange nach dem Aus der Band noch immer für einen Star hielt und mir zu schade dafür war, einen normalen Job zu machen. Doch irgendwann konnte ich meine Miete nicht mehr zahlen und musste Jobs auf Baustellen annehmen.
Ich schämte mich sehr dafür und hatte immer Angst, dass mich jemand erkennt. Wie gesagt, in meinem Kopf war ich immer noch ein Star und kein Arbeiter, der fünf Euro die Stunde verdient.
Hinzu kam, dass ich große Angst hatte, meinen Stolz und somit auch meine Ehre zu verlieren. Ich isolierte mich immer mehr von der Außenwelt. Ich brauchte sehr lange, um damit klarzukommen. Heute ist das für mich kein Problem mehr. Ich arbeite als Pizzabote oder helfe meiner Mutter auf dem Markt. Das sind ehrliche Jobs und dafür braucht sich keiner zu schämen – auch ich nicht!
BM:Hast du in dieser Zeit die Liebe zur Musik verloren?
Niemals. Die Musik war der einzige Grund für mich jeden Tag aufzustehen. Hätte ich die Musik und die Hoffnung damals nicht gehabt, würde es mich jetzt wohl nicht mehr geben. Meinen ganzen Schmerz und meine Sehnsucht nach der Bühne habe ich in meinen Songs verarbeitet – und im Spielcasino.
BM:Ein Song auf deinem Album „Hoffung“ heißt auch „Der Spieler“....
...richtig! Der Spieler bin ich.
BM:Wie kam es dazu?
Eigentlich wie zu jeder anderen Sucht auch. Ich bin da damals einfach so reingerutscht. Wenn ich ins Casino ging, konnte ich der Realität für einige Stunden entfliehen. Anfangs war das nur ein Spaß, ein Hobby. Doch als plötzlich aus 50 Cent 7000 Euro wurde, war es wieder da.
BM:Was?
Das Gefühl im Mittelpunkt zu stehen. Das Casino war meine Bühne. Die Leute kamen, um mir beim Spielen zuzusehen. Sie bewunderten mich, wenn ich gewann und trösteten mich, wenn ich einen schlechten Tag hatte. Sie kannten mich. Ich war der Star am Spieltisch. Schnell ging es mir nicht mehr ums Geld. Was ich wollte, war Adrenalin und die bewundernden Blicke der anderen.
BM:Wie kamst du da wieder raus?
Als mir plötzlich klar wurde, dass ich dabei bin, mich selbst zu zerstören. Ich verzockte alles, was ich kriegen konnte, sogar die Miete. Mir wurde klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Ich begann eine Therapie und ließ mich vor drei Jahren in allen Casinos sperren. Nur so konnte ich mich vor mir selbst schützen. Und ich begann an dem Album zu arbeiten, das heute veröffentlicht wird.
BM:Dann war die Musik also eine Art Selbsttherapie?
Absolut! Früher, als kleiner Junge, habe ich gesungen, um zu träumen. Damals erfand ich in meinen Songs Traumwelten. Heute verarbeite ich in meinen Songs meine Erlebnisse.
BM:Viele Songs auf deinem Album sind sehr emotional und man spürt förmlich den Schmerz...
...und genau das bin ich! Dieses Album ist meine Form der Therapie. All das aufzuschreiben hat mir geholfen, die Vergangenheit zu reflektieren. Und erst dadurch bin ich nun bereit, mich auf die Zukunft zu freuen. Denn wer die Hoffnung verliert, hat schon verloren!
BM:Heißt dein Album aus diesem Grund „Hoffnung“?
Ja. Denn die Hoffnung ist der Motor des Lebens – für jeden Menschen.
BM:Auf deinem Album sind 18 Songs und in jedem sprichst du ein Thema an. Von Liebe, über Tod bis hin zu Rassismus und Religion....
...und all das habe ich erlebt. Dieses Album ist mein musikalisches Tagebuch.
BM:Auf manche Titel würde ich gern spezieller eingehen.
Nur zu!
BM:Der Song „Für das Volk“ ist sehr gesellschaftskritisch.
Das ist richtig! Aber das ist auch meine Intention. Ich möchte Missstände ansprechen und sie nicht einfach nur so hinnehmen. Rassismus ist dabei nur ein Thema von vielen.
BM:Hast du selbst negative Erfahrungen in dieser Hinsicht gemacht?
Ich habe früher in einer türkischen Mannschaft Fußball gespielt. Bei einem Tunier gegen den SV Marzahn kam es dann zu einer Massenschlägerei.
Wir mussten uns den Weg mit Gaspistolen freischießen. Ich wurde dabei übel zugerichtet und konnte mich eine Woche kaum bewegen.
Leider passiert so etwas heute tagtäglich. Und ich möchte den Leuten die Augen öffnen. Nur wenn man kritische Themen anspricht, kann man auch etwas verändern.
BM:Hat sich Deutschland in dieser Hinsicht deiner Meinung nach verbessert oder verschlechtert?
Es wird besser und wir haben eigentlich ein gute Basis um ein multikulturelles Land zu werden. Doch um dies zu realisieren, müssen noch mehr Impulse von coolen Leuten kommen.
BM:In deinem Song „La Familia“ sprichst du das Verhältnis zu deinen Eltern an. Wie kam es dazu?
Diesen Song habe ich aus zwei Gründen geschrieben. Zum einen, um meiner Familie „Danke“ zu sagen. Zum anderen, weil es das wichtigste ist, dass man den Respekt und die Liebe für seine Familie niemals verliert. Ich bin in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, doch meine Eltern haben mir alles gegeben, was zählt. Sie haben mir beigebracht, was zählt: Ehre, Stolz, Ehrlichkeit, die Liebe zu anderen und zu dir selbst.
BM:In den Songs „Tränen lügen nicht“, „Du atmest nicht mehr“ und „Weine nicht“ singst du über die Liebe in ihren dunklen Facetten.
Richtig! Denn genau wie die Musik hat mich auch die Liebe immer begleitet. Und das waren nicht nur schöne Momente. In den Songs singe ich über meine erste große Liebe und wie brutal sie mich nach „The Boyz“ abserviert hat, von toten Babys und Selbstmordgedanken. Meine Songs sind eben nicht rosarot aber authentisch!
BM:Dein 30. Geburtstag liegt noch nicht lange zurück. Für viele ist das ein Moment ein erstes Fazit zu ziehen. Was hast du aus der Vergangenheit gelernt?
Gib die Hoffnung nie auf uns bleibe dir treu! Bleib authentisch und verliere niemals den Anspruch an dich selbst und die Musik – ob als Popstar oder Pizzabote...
Das Album „Hoffnung“ erscheint am 08.05.2009.