Die „andere" Reichshauptstadt
von Frank Tetzel
Haben die Nationalsozialisten es eigentlich geschafft, aus dem in der Weimarer Republik als „rot“ bezeichneten Berlin ein braunes Berlin zu machen? Wir wissen viel über den militärischen Widerstand gegen Hitler, er ist, was den 20. Juli 1944 angeht, fast minutiös dokumentiert.
Wie sieht es aber mit dem Widerstand in den Betrieben, bei den einfachen Arbeitern aus?
Die „andere“ Reichshauptstadt, ein dickes, hochinteressantes Buch, das Hans-Rainer Sandvoss im Frühjahr vorlegte, geht auf diese Frage ein. Um es vorweg zu nehmen: das 670 Seiten starke Buch wird ein Standardwerk zum Arbeiterwiderstand in Berlin zu werden. In dieser Fülle und der Perspektive liegt bislang kein derartiges Werk vor.
Auf alle Fälle werden all diejenigen, die sich mit dem Thema Arbeiterwiderstand in Berlin befassen, nicht mehr um das Buch herumkommen. Quintessenz des Buches: Berlin ist nie wirklich braun geworden, auch wenn die damaligen Machthaber dies gern hätten der Bevölkerung weiss machen wollen.
Sandvoss, der stellvertretender Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand ist, schöpft in seinem Buch aus dem Vollen. Er hat alle zugänglichen Quellen, seien es Akten des Volksgerichtshofes oder der Gestapo untersucht.
Drei Aspekte
Er beleuchtet in seinem Buch drei Aspekte. Zum einen dem Widerstand der SPD, zum anderen den Widerstand der KPD und nicht zuletzt den „Widerspruch und die Opposition auf betrieblicher Ebene“.
Der historisch bewanderte Leser wird in dem Buch viel Interessantes entdecken können. Vor allem die Einzelschicksale, die Sandvoss nachzeichnet, sind auch aus der Distanz, und selbst dort, wo er aus Akten zitiert sehr dicht erzählt.
Der Band, hochwertig editiert vom Berliner Lukas Verlag, ist das Beste, was es derzeit zu diesem Thema auf dem Markt gibt.
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