BORUSSIA, OLYMPIONIKE UND SPHINXE: Monumentale Damen in Wilmersdorf
von Katrin Müller de Gàmez
Spaziergänge im Wilmersdorfer Kiez sind immer wieder spannend - je nachdem worauf sich die Aufmerksamkeit des Flaneurs richtet. Ein ‚Hingucker‘ sind die vielen Denkmäler und Skulpturen, die uns begegnen. Bei den meisten Bauten und Anlagen wie Schulen, Rathäuser, Brücken, Plätzen und auch etlichen Wohnhäusern war schon im Konzept plastischer Schmuck vorgesehen.
Von den zahlreichen ehemaligen Kunstwerken aus Metall im öffentlichen Besitz sind nach den Einschmelzaktionen des Ersten und des Zweiten Weltkrieges nicht mehr viele übrig geblieben. Anders ist dies bei den steinernen Zeugen der Kunst. Hinzu kommen neue Werkstücke aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die sich zu den anderen gesellen.
Ein wunderbares Exemplar steht im Preußenpark. Eine Kopie der ‚Borussia‘ von Reinhold Begas (1831-1911). Der bekannte Schöneberger Bildhauer und Maler, der unter anderem auch den Neptunbrunnen schuf, formte die Skulptur 1885 für das Zeughaus in Berlin-Mitte. Borussia ist die lateinische Form des Wortes Preußen. Die behelmte, selbstbewußt auf ihrem Sockel stehende Dame mit dem großen Schwert, ist also die Personifikation des ehemaligen deutschen Königreiches. Die Inschrift auf dem Sockel lautet: ‚Geschenk des Preußischen Staates an die Stadt Berlin 1936‘.
Borussia
Wer bei Borussia zuallererst an Fußball- oder Tennisvereine und Verbindungen männlicher Studenten denkt, sollte nicht die historische Tradition des Namens vergessen. Gerade Frauennamen und –körper wurden in der politischen Ikonographie gerne eingesetzt, da sie andere Tugenden auszudrücken vermochten als die des männlichen ‚Helden‘. ‚Frau Borussia‘, obwohl mit Helm und Schwert versehen, wirkt nicht so aggressiv wie eine männliche Figur, die Preußen im öffentlichen Raum symbolisieren würde.
Die Schlummernde
Das nächste weibliche Wesen, welches sich zu besuchen lohnt, ist das schlafende Mädchen vor dem Bürgeramt am Hohenzollerndamm 174-177. Die bronzene Skulptur der Berliner Bildhauerin Ludmila Seefried-Matejcová von 1986 liegt friedlich schlummernd auf dem Vorplatz. Nichts Kriegerisches haftet ihr an, sie hat sich die Jacke über das Gesicht gezogen, die strubbeligen Haare stehen zu Berge, sie will nicht gestört werden. Nichts erinnert mehr an die bewegteren Zeiten an diesem Ort, als das ‚Riverboat‘ für gute Musik und Spaß sorgte.
Die Trauernden
Ganz andere weibliche Figuren finden sich vor dem Eingang des Krematoriums Wilmersdorf in der Berliner Strasse 81, dass 1922 bis 1924 als klassizistischer Kuppelbau, nach Plänen des Architekten und Stadtbaurates Otto Herrnring errichtet wurde. Der Berliner Bildhauer Eberhard Encke (1881-1936) schuf aus Muschelkalkstein die ‚Trauernden‘, die den Zugang zur Trauerhalle flankieren. Ihre Gesichter verbergend, in fließende Gewänder gekleidet, knien hier junge Frauen mit Modelmaßen auf hohen Sockeln. Auch auf Friedhöfen sind es zumeist Frauenfiguren, die der Trauer einen symbolischen Ausdruck geben. Trauernde Männer sind in unserem Verständnis weit weniger dafür geeignet.
Die Olympionike
Ein anderer Ort, der einer ‚monumentalen‘ Dame des Bezirks gehört, ist der Eingang zum Stadtbad am Heidelberger Platz. Hier steht die bronzene ‚Olympionike‘ von Demetros Anastasatos aus dem Jahre 1962. Nackt, in angespannter aufrechter Körperhaltung steht sie hier mit geschlossenen Augen, vom Sieg im kommenden Schwimmwettkampf träumend. Sie nimmt sich dafür alle Zeit der Welt. Bei dem heutigen Medienrummel, der Sportereignisse begleitet, ist das kaum noch vorstellbar.
Die Winzerin
An einem anderen Platz im Kiez, am Bundesplatz, steht – unwürdig an den Straßenrand gedrängt und fast im Gebüsch verschwunden – eine Steinreplik der ‚Winzerin‘ des Bildhauers Friedrich Drake (1805-82), der auch die ‚Goldelse‘ (Viktoria auf der Siegessäule) schuf. 1854 von Drake als Kleinplastik gearbeitet, wurde 1910 eine Vergrößerung der Figur, gestiftet von der Familie Drake an den Stadtteil Wilmersdorf, am damaligen Kaiserplatz aufgestellt. Und zwar in unmittelbarer Nähe eines wunderschönen Springbrunnens, der den Platz dominierte.
Nach dem langwierigen Umbau des Platzes in einen Verkehrsknotenpunkt – was ihm in den sechziger Jahren den Namen ‚Buddelplatz‘ einbrachte – wurde die ‚Winzerin‘ an den Straßenrand abgeschoben wie ein Schmuddelkind. 1982 wurde sie durch eine Steinreplik ersetzt. Die Marmorfigur kam ins Lapidarium, dem Berliner Verwahrungsort steinerner Denk- und Standmale am Halleschen Ufer.
Die Mosel
Am Rüdesheimer Platz ist eine besonders prächtige Dame zu bewundern. Genau wie bei der ‚Borussia‘ steht sie als Sinnbild und nicht als Frau an diesem Ort. Diesmal symbolisiert sie einen Fluß, genauer gesagt die Mosel. Als Teil des Siegfriedbrunnens von 1911, den Emil Cauer d.J. entwarf, liegt sie lasziv hin gegossen, in Sandstein gearbeitet, am Beckenrand und beobachtet nur mäßig interessiert Siegfried, der versucht ein übermütiges Pferd zu bändigen. Er scheint ihr nicht zu imponieren.
Das Steinmädchen
Ein wenig abseits der üblichen Spazierrouten steht, ziemlich versteckt und reichlich verwittert, an der Bernhard-Wieck-Promenade in Grunewald das Steinmädchen von Fritz Röll (1879-1956). Der vielfach preisgekrönte Bildhauer schuf die Figur in Muschelkalkstein 1913 als lebensgroßen Akt. Der Eindruck ist der eines zarten Geschöpfes, obwohl der jetzige Zustand mit dem grün-bemoosten Gesicht und dem modrig-klebrig scheinenden Arm über dem Kopf ihm viel von seiner Anmut nimmt.
Sphinxe
Die Brückenköpfe der Bismarckbrücke, die an der viel befahrenen Bismarckallee liegt und den Hertha- vom Hubertussee trennt, werden von vier Sphinxen bewacht. Sie ruhen majestätisch auf großen Sockeln an den Enden der Brüstungsgeländer. Der Bildhauer Max Klein (1847-1908) erschuf 1891 die riesigen Fabelwesen aus Sandstein. Sie sind alle vier eine wilde Mischung aus streng blickenden gelockten Frauen mit menschlichen Oberarmen und Brustkorb, angedeuteter Kleidungsstückchen und löwenartigem Restkörper samt Vorderläufen und Pranken. Die Anlehnung an ägyptische Vorbilder ist erkennbar, jedoch haben die Kunst-Ideen des ausgehenden 19. Jahrhundert in Preußen Vorrang gehabt bei der Gestaltung der Figuren. Sie strahlen Kraft, Strenge, ja kühle Arroganz aus.
Es gibt noch weit mehr „monumentale“ Frauen in Wilmersdorf zu entdecken. Da ist das interessante „Medusenhaupt“ am Brunnen auf dem Henriettenplatz in Halensee, das Anne und Patrick Poirier 1987 gestalteten. Oder der ‚Gänseliesel‘-Brunnen am Nikolsburger Platz, 1910 von Cuno von Uechtritz geschaffen, zwar nicht ‚monumental‘ an Größe aber doch an Schönheit.
An der Uhland- Ecke Pariserstraße steht die 1929 entstandene ‚Fischreiterin‘ von Georges Morin, und, und, und...
Nicht alle Damen sind gleich auf den ersten Blick zu finden. Manche stehen versteckt in einer Ecke, hinter Büschen, auf Innenhöfen, sind Brunnenfigur und Friedhofsengel oder blicken als Fassadenrelief von einer Häuserfront. Bei jedem Spaziergang können wir auf Entdeckungsreise gehen.