Berliner Schnoddrigkeit
Der Berliner Staatssekretär André Schmitz hat spiegel-online ein Interview zur Kulturpolitik der Bundeshauptstadt gegeben. Eingangs beschwerte er sich über die Berliner Schnoddrigkeit. Inzwischen gehen diese Äußerungen von Zugereisten auf die Nerven. Berliner Kodderschnauze gehört dazu wie drei Opernhäuser, Currywurst und Hochkultur... weil das die Berliner Mischung ist. Jedenfalls meint das die Redaktion von berlin-magazin.info und schreibt dem ansonsten hoch verehrten Staatssekretär einen (fiktiven) Brief.
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Lieber André Schmitz,
da haben Sie nun spiegel-online ein wunderbares Interview zum Thema der Berliner Kultur gegeben. Geistreich und einfühlsam und ihre Position als Staatssekretär für das Gute und Schöne auf das Ehrenhafteste verteidigt.
Es gereicht Ihnen wirklich zur Ehre – wäre da nicht das ewige Gemeckere über die Berliner Schnodderigkeit. Die geht einem inzwischen ja gehörig auf den Senkel.
Für einen Feingeist wie Sie es sind, mag die Art der Sprache gewöhnungsbedürftig sein. Aber ich habe sie in den knapp neun Jahren, die ich in dieser Stadt lebe, eher lieb gewonnen. Trotz des gigantischen Kulturetats, den Ihr Chef und Sie verwalten. Es ist wie es ist. Berlin ist arm, aber sexy. Und das bedeutet zu einem gewissen Grade auch proletarisch im besten Sinne des Wortes.
Eine gewisse Ruppigkeit gehört dazu, wenn Sie sich bemüßigt fühlen in der einzig wirklichen Großstadt, eben in der Metropole Berlin zu leben.
Seine Wurzeln als Arbeiterstadt, die ab Mitte des 19. Jahrhunderts Menschen aus allen Regionen des Reiches wie ein Staubsauger aufsog, kann Berlin nun einmal nicht leugnen.
Ähnliches passiert Ihnen auch in Paris, London oder in New York.
Übrigens: Auch das klischeehafte Schimpfen auf ihren Bäcker können sie sein lassen. Erst einmal: Bei meinem Bäcker im Kiez werde ich immer mit einer ausgesuchten Freundlichkeit bedient. Die Adresse überlasse ich Ihnen gern.
Jeder kann aus seiner Stadt ähnliche Geschichten erzählen, sei es in Hamburg oder in Oberhausen. Berlin assimiliert doch eigentlich jeden. Das ist doch das Gute an dieser Stadt. Lustig ist es immer dann, wenn Schwaben anfangen zu Berlinern, finden Sie nicht auch?
Berliner Schnodderigkeit: Das bedeutet Schlagfertigkeit und Witz, Offenherzigkeit und Ehrlichkeit. Berlinerische oder die Berliner Kodderschnauze, das ist Märkisches Platt vermischt mit Hochdeutsch, ein wenig Sächsischem, dem Jiddischen, dem Niederländischen und dem Slawischen. Nicht zu vergessen das Französische: Um 1700 waren fast zwanzig Prozent unserer Einwohner geflohene Hugenotten.
Und was ist schon dabei Boulette anstelle von Frikadelle, Schrippe anstelle von Brötchen zu sagen?
Gegen den Berliner Volksmund ist eh kein Kraut gewachsen und die offene Geisteshaltung dieser Stadt, die lobe ich mir.
In diesem Sinne
Ihr
Frank Tetzel