Berliner Kaffeekultur
Wilhelm Andraschko schüttelt sich, er kann nicht verstehen, wie sich junge Menschen in einen guten Kaffee solch Ingredenzien wie Karamell- oder Schokoladensirup schütten können, wie es bei den großen Ketten a la „Starbucks“ oder „Meyerbeers“ üblich ist.
Andraschko, der in Berlin das legendäre Café Einstein mitbegründete und der Erste war, der in der deutschen Hauptstadt mit einer Kaffeekette gleichen Namens den Coffeshops den Weg ebnete, hat sich aus diesem Geschäft vollkommen zurückgezogen.
Doch nicht vollständig. Ganz im Osten von Kreuzberg, da wo das Umzugsunternehmen „Zapf“ seinen Sitz hat und das Deutsche Architekturzentrum, da wo einst der Hinterhof Westberlins war und wo inzwischen einige Locations, die Schönen und Reichen dieser Stadt zum Dinner einladen, röstet der Altmeister seinen Kaffee.
Kleinstbetrieb
Andraschko ist gleichsam mehr oder weniger ein Ein-Mann Betrieb, doch die Ware, die der gebürtige Österreicher dort in der Köpenicker Straße herstellt, verkauft er an die besten Adressen in Berlin. Es ist nicht irgendein Großröster, der den Kunden der Deutschen Bank die Bohnen veredelt, es ist diese kleine Rösterei, die den Kaffee für die Vorzeige- und Zukunftsfiliale des Geldhauses „Q 101" in der Friedrichstraße herstellt.
Mehr aromatische Substanzen als Wein
„Kaffee hat die größte Auswahl an aromatischen Substanzen,“ sagt Andraschko und nimmt, bevor er weiter erzählt, einen Schluck aus seiner Kaffeetasse. „Doppelt soviel wie Wein“, fügt er hinzu. „Allerdings liegen diese so dicht beieinander, dass man nicht wie beim Wein beispielsweise Johannisbeeren oder Apfel herausschmecken kann."
Viele Kriterien hätten Einfluss auf den Rohkaffee. Der Boden, der Pflanzentyp, sogar die Erntezeit, die Umgebung der Kaffeepflanze sind wichtige Faktoren. In seinem angenehm weichen österreichischen Dialekt fährt er fort „wir stellen in unserer Kaffeemanufaktur nur Blends, also Mischungen her, weil wir überzeugt sind, dass diese im Geschmack die sortenreinen Kaffees sogar noch übertreffen.“
Was ist ein guter Kaffee?
Was einen guten Kaffee ausmacht? „Na, der Geschmack, aber vor allem die richtige Behandlung des Kaffees beim Anbau, bei der Ernte und bei der Röstung." So würden viele Betriebe nach der Röstung den Bohnen Wasser zusetzen, was bis zu einem Anteil von fünf Prozent auch erlaubt sei. „Wir machen das nicht.", sagt der Kaffeeexperte. Der Zugabe von Wasser hat Auswirkungen auf die Kaffeebohne und letztendlich auf den Geschmack.
Espresso ist die Königsdisziplin
Die Herstellung eines guten Espresso ist für Andraschko die Königsdisziplin: „Espresso braucht Süße. Diese lässt sich am besten bei der Ernte steuern, in dem man nur die reifen Bohnen erntet. Ein guter Esspresso", so erläutert der Wiener, der seit dreißig Jahren in Berlin lebt, „muss aus Arabicabohnen bestehen. Es ist eine Mär, zu glauben, dass man Robusta dazumischen müsse."
Im übrigen, so die Faustregel, würde er keinem Kaffee wirklich trauen, der unter 17 Euro das Kilo, also 4,25 Euro für ein halbes Pfund angeboten werde.
Raritäten von bester Qualität
In der kreuzberger Rösterei werden in einem Probat-Röstkessel aus Gusseisen besondere Raritäten hergestellt: Mischungen wie Buona Vista Primero, die aus Jamaica Blue Mountain Kaffees zusammen mit brasilianischem Kaffee und Bohnen aus Papua Neu Guinea gemischt sind, oder die Mischung: Muthaiga Club, angelehnt an den Kolonialclub in Nairobi, in dem Tania Blixen („Jenseits von Afrika“), Dennis Finch Hatton oder Lord Delamere Stammgäste waren.
Diese Mischung besteht aus den teuersten kenianischen Kaffees, verbunden mit Kaffees aus Aethopien und einem jemenitischen Mocca.
Lange Kaffeetradition an der Spree
Berlin ist zwar noch nicht solange wie Wien eine Kaffeestadt, aber immerhin wurde er 1675 nachweislich das erste Mal am Hofe des Kurfürsten getrunken. 1721 eröffnete das erste Kaffeehaus.
Den sogenannten „Türkentrank“ konnten sich nur die reichen Berliner leisten. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wird der Kaffee zum Volksgetränk, um 1900 gab es rund einhundert Kaffeeröstbetriebe in der Stadt an Havel und Spree.
Renaissance des Kaffees
Mit der Eröffnung der Coffeeshops ist inzwischen auch eine Renaissance des Kaffees zu verspüren, der noch vor einigen Jahren eher auf dem Abstellgleis des „Alten-Leute-Getränkes zu enden drohte.
Die großen Kaffeehäuser der Hauptstadt machten dicht, wie etwa das Cafe Möhring am Kurfürstendamm, dass einem H+M Laden Platz machen musste, oder das Café Kranzler, das so zurechtgestutzt wurde, dass es nur noch eine verflüchtigte Reminiszenz einer vergangenen Zeit ist.
Neben Urgestein Wilhelm Andraschko mit seinen Einstein-Cafes war es das Multitalent Cynthia Barcomi, die 1994 in Kreuzberg eine Kaffeerösterei mit angeschlossenem Kaffee eröffnete. Und es war eine weitere Künstlerin, nämlich Stefanie Hylton, die ein paar Jahre später die Türen ihres ersten Coffeemamas Laden aufschloss.
Inzwischen gibt es wahrscheinlich an die 800 Coffeeshops in Berlin, von großen Kettenunternehmen betriebene bis zu ganz kleinen, von denen der eine oder andere auch selbst röstet.
Andraschko Kaffeemanufaktur
Köpenicker Straße 154
Tel.: 030 – 69 59 86 87
Barcomi Kaffeerösterei
Bergmannstraße 22
Tel.: 030 – 694 81 38
Coffeemamas
Hackescher Markt
S Bahn Bogen 4
Tel.: 030 – 24 72 22 25
Double Eye
Akazienstraße 22
Tel.: 0179 456 69 90
Berliner Kaffeerösterei
Uhlandstraße 173 / 174
Tel.: 030 - 88 67 79 20
Sagers Kaffeerösterei
Lotte-Lenya-Bogen 555
gegenüber dem Theater des Westens an der Kantstraße
Tel.: 030 – 31 80 73 07
Kaffeerösterei Westend
Gitschiner Straße 91
Tel.: 030 – 62 50 77 03