Besuch beim Herrenschneider - Oder: Der Vorteil des Maßanzuges
Von Frank Tetzel
Nur gedämpft hört man hier oben im zweiten Stock das Rauschen des Straßenverkehrs am Kurfürstendamm. Ich nehme auf einem gediegenen Sofa Platz und lasse die Blicke schweifen. Anzüge, Anzüge, Anzüge. Stoffe, wohin das Auge reicht.
„Gut gekleidet sein, wer möchte das nicht? Unser Jahrhundert hat mit den Kleiderordnungen aufgeräumt und jedem steht nun das Recht zu, sich wie der König anzuziehen. Als Gradmesser für die Kultur seines Staates kann der Umstand gelten, wie viele von dieser freiheitlichen Errungenschaft Gebrauch machen. In England und Amerika alle, in den Balkanländern nur die oberen Zehntausend." Und in Anlehnung an das Zitat von Adolf Loos, bleibt zu fragen: Und in Berlin? - Nun ja, der Rest ist Schweigen. Um es vorweg zu sagen. Maßschneiderei ist wieder im Kommen, vermehrt setzen Manager, Rechtsanwälte, Selbständige auch in der deutschen Hauptstadt auf das edle, maßgefertigte Tuch.
Gut gekleidet
Mit dem Gefühl gut vorbereitet zu sein, erscheine ich im Atelier von Massenbach am Kurfürstendamm, nur wenige Meter vom Adenauerplatz entfernt. Morgens, vor dem Termin habe ich noch überlegt, was ziehe ich denn an, zu solch einem Termin. Dezente Krawatte? Sitzt das Hemd auch richtig? Lieber braune oder doch eher schwarze Schuhe? Und vor allem: Welches Sakko von meinen Zweien nehme ich denn heute?
Der Kurfürstendamm als Modemeile
Als absoluter Depp möchte ich doch nicht auftreten. Ich habe über die Berliner Modeszene der fünfziger Jahre gelesen, über den Berliner Heinz Oestergaard, der in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts die Szene auf der Westseite der Frontstadt Berlin durch seine Aufsehen erregenden Kreationen aufmischte.
Dazu die Namen Uli Richter und Gerd Staebe. Zu damaliger Zeit gab es rund 400 Konfektionsbetriebe mit mehr als 60.000 Beschäftigten in Berlin und man begann – trotz der Vernichtung der jüdischen Modemacher während des Nationalsozialismus – an die Vorkriegstraditionen anzuschließen. Ostergaard und vor allem Richter gelang es mondänes Leben nach Berlin zu holen. Gracia Patrcia von Monaco, Lilli Palmer, Hildegard Knef waren nur einige der bekannten Kundinnen in den Ateliers der Modemacher rund um den Kurfürstendamm.
Gediegene Atelieratmosphäre
Umso überraschter bin ich, als mich Isabella Freifrau von Massenbach nebst Ehemann freundlich und unpretentiös ins Atelier hineinbittet. „Schwieriges Terrain, Berlin“ versuche ich das Gespräch zu eröffnen. Die Stadt sei ja seit jeher als Arbeiterstadt bekannt, versuche ich meine Bedenken vorzubringen. ... und ernte ein Lächeln.
„Ich bevorzuge ja eher Cordhosen und Tweedjackets," knicke ich schon etwas kleinlauter geworden ein.“ Isabella von Massenbach kennt diese Vorwände, vor allem in der deutschen Hauptstadt. „Kein Problem, auch die schneidern wir Ihnen natürlich.“
Inzwischen ist vor allem für das mittlere und gehobene Management perfekte Kleidung geradezu ein Muss;“ meint Frau von Massenbach. Und häufig bietet die Stangenmode nicht dass, was Sie als Mann benötigen. Da sind sie Schultern zu breit und die Taille zu schmal oder umgekehrt.“
Was ist schon teuer?
Maßgefertigte Hosen, Anzüge und Hemden machen Freude beim Tragen, Sie können abseits von Modetrends der Waren- und Modehäuser das anziehen, was Sie für richtig halten und tatsächlich zu Ihnen passt. Und teuer; nun ja teuer sind wir auch nicht unbedingt. Bei Anzügen, die Sie ein Leben oder wenigstens ein halbes Leben lang tragen können, ohne dass man an ihnen die Zeitläufte erkennt, berechnet sich der Aufwand eben ein wenig anders. Und mit den Schneidern von Harper & Fields mit denen man zusammenarbeitet befindet man sich in einer guten Tradition.
Maßnehmen
Schwer fällt es; an mir Maß nehmen zu lassen, wer mag schon über seinen Bauchumfang reden, da ist es tröstlich, dass ich mir eben nicht in einem großen Warenhaus die Blöße geben muss, sondern in gediegen eingerichteten Atelier. „Nur 17 Prozent aller Deutschen erreichen überhaupt Idealmaße;“ beruhigt mich Frau von Massenbach, während sie Maß nimmt.
Und ihr Gemahl fährt fort. Und überhaupt: Der Trend zum Maßanzug sei ungebrochen, über die Konkurrenz der sogenannten Maßkonfektion möchte er sich eher nicht auslassen und hüllt sich in vornehmes Schweigen. Nun ein Satz ist ihm, dem geborenen Bajuwaren, zu entlocken. „Man sieht´s halt.“
Investition
Ganz preiswert ist so ein maßgeschneiderter Anzug natürlich nicht. Zwischen 500 Euro und 2.000 bewegen wir uns schon, je nach Güte des Stoffes, bekomme ich zu hören, während ich an mein Warenhaussakko für knapp 300 Euro denke. Der Sprung zu den 500 Euro ist da nicht mehr so groß. Schnell rechne ich im Kopf,. Und beziehe dann die Grundsätze der bekannten Styleguides mit ein, dass man in seinem Leben nur etwa vier Anzüge insgesamt benötigt – ich rechne meinen Verschleiß an Stangenwarenkonfektionssakkos dagegen – ungefähr vier bis fünf alle zwei Jahre. Eine Rechnung, die für den Maßschneider aufgeht.
„Trotzdem,“ und der Freiherr führt das Gespräch zielgerichtet fort, “denken Sie nicht nur an das Geld. Der Anzug ist immer auch eine Visitenkarte Ihrer Persönlichkeit. Wenn er gut sitzt, fühlen Sie sich wie in einer zweiten Haut.“ Der Herr will mir schmeicheln, aber als ich die Vielfalt der Stoffe ertaste, weiß ich endlich, was er meint. Das ist quasi der Unterschied zwischen „Hamburger-Küche“ und „Haute Cousine“ in der Mode.
Jetzt frage ich nur noch, wann ich meinen Anzug abholen kann.
Atelier Isabella von Massenbach
Kurfürstendamm 69
Berlin Charlottenburg
Tel.: 030 - 36 41 69 37
Termine nach Vereinbarung
www.isa-von-massenbach.de